Orange – Farbe des Wandels


Fräulein Orange, wir kennen dich und können es nicht verstehen: Niemand will mit dir gehen, niemand mit dir zusammensein. Du gehörst zu den unbeliebtesten Farben der Deutschen. Schade! Vielleicht ist das aber der Grund, warum du hierzulande nie so richtig Schlagzeilen gemacht hast. Ganz im Gegensatz zu deinen Schwestern Grün und Violett spieltest du in unserer Kultur noch nie eine wichtige Rolle. Du warst noch nicht mal eine Komparsin; auf keinem Gemälde der Großen Meister tauchst du auf, weder als Symbolfarbe noch als Kleiderfarbe. Auch in den Familienwappen der Adligen warst du, leuchtendes Orange, nicht erlaubt. Wer dich trifft, glaubt, er begegnet einem aufdringlichen, billigen, lauten und unsympathischen Ding. Was für ein tragischer Irrtum! Und wir fragen uns natürlich: Wie konnte es so weit kommen?

An der Assoziation zu Fräulein Oranges fruchtiger Namensvetterin kann es jedenfalls nicht liegen. Fast überall heißt sie so wie die saftige Orange. Nur im nördlichsten Norden nennen die Einheimischen sie Apfelsine – der Apfel, der aus China kam. Die Schale der Orange und Mandarine und einige Blumenblüten sind beinahe die einzigen echten Naturmaterialien in dieser Farbe. Und da diese Früchte nicht hierzulande wachsen, haftet Orange auch immer etwas Fremdländisches, Exotisches an.
Schlimm? Nein. Viel rufschädigender war, dass die Werbung Orange für sich entdeckte und es als klassische Reklamefarbe etablierte. Seine aufdringliche Grellheit sollte und soll Aufmerksamkeit erzielen. Nicht viel besser machten es die Produktdesigner der 70er und 80er Jahre, denn ihnen haben wir es zu verdanken, dass Orange auf uns immer noch billig und künstlich wirkt. Viele der damaligen Verpackungen waren aus Plastik und orangefarben. Orange =Plastik = Gift ist seitdem keine seltene Implikation. Auch die Luxuswarenindustrie wählt selten Orange, sondern greift lieber gleich zum teuren Gold, dabei ist Orange der Farbe des Edelmetalls doch so ähnlich!

 


Aber zum Glück sind die Deutschen nicht das Maß aller Dinge. Schon bei unseren holländischen Nachbarn und erst recht in Fernost genießt das Orange ein ganz anderes Ansehen! Als Farbe zwischen Rot und Gelb (aus gleichen Anteilen) ist Orange hier die Farbe zwischen Feuer, Energie, Aktivität, Licht und Klarheit. So gesehen bedeutet Orange das Süsse, Aromatische, Erfrischende, Lustige und außerdem Nähe, Dynamik, Kreativität und Leichtigkeit, mit anderen Worten: pure Lebensfreude.

In Orange erleben wir die Schönheit der auf- und untergehenden Sonne. In der Farbtherapie ist es ein Mittel gegen Depressionen und an Wänden sorgt Orange für ein angenehmes Raumklima. Goethe empfahl Eltern, das Kinderzimmer orange zu streichen, denn es fördere die künstlerischen und geistigen Fähigkeiten der Sprösslinge. Aber auch Esszimmer, Küchen und Restaurants sollten in leuchtendem Orange erstrahlen, denn es regt den Appetit und den Stoffwechsel an. Schon Dionysos, der Gott des Weines, des Rausches und der Fruchtbarkeit, wusste das und hüllte sich in orangefarbene Gewänder. Und »Media naranja« (Hälfte einer Orange) werden die spanischen Ehefrauen von ihren Männern genannt, was so viel heißt wie »Meine bessere Hälfte«! Ob diese Männer erleuchtet sind?

Bei den Buddhisten symbolisiert das Rotgelb auf jeden Fall die Entwicklung des Menschen zur Erleuchtung hin, der höchsten Stufe der Vollkommenheit. Die Gewänder der Mönche bestehen aus einem einzigen Stück orangefarbenem Stoff, das keine Nähte haben darf und die Schulter frei lässt. In Indien wird Orange besonders geliebt. In der Kunst sind Kleider und Gesichter von Gottheiten und Menschen oft orange! Die Inder selbst idealisieren ihre Hautfarbe in Safrangelb, einem hellen Orange. Bhagwan-Gründer Osho schrieb seinen Anhängern orangefarbene Kleidung vor – als ein Ausdruck von Lebensfreude.

Natürlich ist Orange auch Signalfarbe. Das Gelb der Verkehrsampel ist eigentlich ein Orange. Straßenbauarbeiter, -kehrer und Müllmänner tragen Orange. Und die gelb-schwarzen Warnschilder werden langsam von orangefarbenen abgelöst.

Aber auch Politik kann orangefarben sein. Denken wir zum Beispiel an die Orange Revolution 2004 rund um Wiktor Juschtschenko in der Ukraine. Der Königinnentag am 30. April ist der Nationalfeiertag der Niederlande und der ist orange! Aber warum? Das niederländische Königshaus stammt aus der Dynastie der Oranier, die ursprünglich aus der französischen Provencestadt »Orange« kamen. Als Statthalter der Provinz Niederlande organisierten sie im 16./17. Jh. den Freiheitskampf der Niederländer gegen die spanische Besatzungsmacht.

Übrigens, wusstet ihr, dass die Bezeichnung des Menschenaffen Orang-Utan vom malaiischen Wort »orang« (= Mensch) abstammt?

PDF-Download des Artikels aus dem Handmade Kultur Magazin, Ausgabe 01/2013.

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