Plastikmüll

TEXT & FOTO: Thordis Rüggeberg

Der wöchentliche Einkauf unserer Kolumnistin Thordis Rüggeberg ähnelt einem unfreiwilligen Parcourlauf. Warum? Lest selbst:

Am Anfang war da dieser Adventskalender. Meine Schulfreundin schickte ihn mir jedes Jahr mit einem Motiv aus meiner alten Heimat, eine Sonderaktion der Stadt, die Verkaufserlöse wurden gespendet. Unsere kleine Weihnachtstradition und zugleich ein gutes Werk.

Am 25. Dezember zerlegte ich ihn für die Mülltonne und hielt sein stabiles Innenleben aus Plastik in der Hand – das vermutlich mehr wog als die Schokolade, die darin war.

Ich schrieb ihr eine Mail. „So nett das ganze auch ist – dieser Abfall steht in keinem Verhältnis. Lass uns damit aufhören.“

Das ist vielleicht zehn Jahre her und war für mich der Startschuss. Ich begann, auf Verpackungen zu achten und änderte mein Einkaufsverhalten. Schluss mit dem Griff zur Paprika-Trikolore im Plastikschlauch, lose geht’s doch auch, dann eben nur in einer Farbe. Joghurt im Pfandglas, nicht mehr in winzigen Becherchen. Pudding und Milchreis selbst kochen.

Vieles ist Gewohnheit, Bequemlichkeit oder einfach nur Gedankenlosigkeit. Fängt man erst mit dem Umdenken an, kommt eins zum anderen.

Das Stück Seife wiederum hat für mich nicht funktioniert, es wurde entweder matschig oder rissig und unansehnlich. Doch wieder zurück zum Plastikspender – der nachgefüllt werden kann und bei sparsamer Verwendung lange durchhält. Auch die Milch in der Glasflasche gab es nur im Liter, sie wurde mir immer wieder sauer. Also lieber den halben Liter im Tetra-Pak nehmen, der angeblich sowieso eine bessere Gesamtbilanz erzeugt als der Transport der deutlich schwereren Glasflaschen, die aufwendig gereinigt werden müssen.

Ich kaufe im Discounter ein, leider fehlt in meiner Wohngegend das Gemüselädchen, bei dem ich einen Strauß Petersilie aus dem Wassereimer oder Rauke, zusammengehalten nur von einem Gummiband, bekomme. Aber auch die großen Anbieter haben sich in den letzten Jahren neu aufgestellt, verkaufen verstärkt lose Ware, reduzieren Verpackungen und verändern deren Material.

In kleinen Schritten geht es voran. Vielleicht sind sie zu klein, diese Schritte? Ich glaube daran, dass aus vielen kleinen Veränderungen etwas Großes wird. Genau wie es nicht eine einzelne Plastiktüte ist, die den Ozean verschmutzt, sondern die Summe vieler Millionen, kann umgekehrt aus einem einzelnen Verzicht von tausenden Menschen in der Gesamtheit eine erhebliche Verbesserung entstehen. „Ich als Einzelperson mache doch keinen Unterschied!“ – diese Ausrede gilt demnach nicht.

Wir dürfen nicht auf Gesetzesvorschriften oder Entscheidungen unserer Regierenden warten, die aus einem Konferenzraum heraus sämtliche Interessen der gesamten Welt verwalten sollen, sondern müssen für uns selbst die Verantwortung innerhalb unseres Umfelds übernehmen. Das Wort „Klimaschutz“ lenkt vom eigentlichen ab, denn es ist nicht das Klima, das geschützt werden muss. Das Klima ist sich selbst egal, auch dem Planeten ist es wurscht, ob hier 60 Grad plus oder minus herrschen und wie hoch das Wassers steht. Es geht um Umwelt- und Menschenschutz, darum, dass wir unsere Lebensgrundlage bewahren.

Bei mir ist immer noch viel Luft nach oben, zumal die Plastik-Baustelle nicht die einzige ist. Da gibt es noch die Palmöl-Vermeidung, den Boykott bestimmter Hersteller, den Verzicht auf Lebensmittel von außerhalb Europas … mein Wocheneinkauf gleicht inzwischen einem Hindernis-Parcours. Und wirft so Fragen auf wie: „Lieber das Nicht-Bio-Produkt von der Frischtheke, nur in Papier eingeschlagen – oder die Bio-Ware aus dem Kühlregal in Plastik?“

Da stehe ich dann, mit einem Rucksack voller Stoffbeutel und Gemüsenetze, die man auch sehr gut für lose Brötchen verwenden kann, meinem Mittagessen in alten Schraubgläsern, mit denen ich inzwischen nahezu meinen gesamten Haushalt organisiere, und meinem Bambus-Becher für den Kaffee unterwegs, den aufgrund von Corona niemand annimmt, also gibt gerade es keinen Kaffee unterwegs mehr.

Was nun? Durchatmen, eine Entscheidung treffen, weitermachen. Und nicht zu streng sein, nicht mit sich selbst und erst recht nicht mit den anderen. 

 

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